Aufsichtsrechtliche Erleichterungen für kleinere Banken

Autoren: Markus Kälin, Rolf Duss

Hintergrund

In den letzten Jahren haben die regulatorischen Vorgaben für Finanzinstitute kontinuierlich zugenommen. Vor allem für kleinere Institute verursachte die Umsetzung der zahlreichen neuen Bestimmungen einen unverhältnismässigen Mehraufwand und hohe Kosten.

Die FINMA hat erkannt, dass viele nach der Finanzmarktkrise von 2007 geschaffenen Vorschriften keinen oder nur einen geringen Mehrwert bei der Aufsicht über kleine Banken brachten. Sie strebt deshalb Erleichterungen in der Aufsicht über kleinere Banken und damit eine Entlastung dieser Institute an, ohne dass es dabei zu einer nennenswerten Beeinträchtigung der Aufsichtsziele, Gläubigerschutz und Finanzstabilität kommen sollte.

Die Erleichterungen für kleinere Banken resultieren aus zwei Projekten:

  • Mit den in 2018 erfolgten Änderungen des FINMA-Rundschreibens 2013/03 «Prüfwesen» wurden verschiedene Erleichterungen im Revisionsbereich gewährt. Im Vordergrund steht dabei die reduzierte Prüfkadenz in der Aufsichtsprüfung, womit Banken und Effektenhändlern der Aufsichtskategorien 4 (maximal 2-jährlich) und 5 (maximal 3-jährlich) ein verlängerter Prüfungsturnus gewährt wird. In diese relevanten Aufsichtskategorien fallen über 80% aller Institute. Für das Jahr 2019 haben allerdings weniger als 10% der Banken der Aufsichtskategorien 4 und 5 von der reduzierten Prüfkadenz Gebrauch gemacht.
  • Derzeit wird die Berichterstattung der Institute im Rahmen des Projekts «Kleinbankenregime» vereinfacht. Für dieses Projekt wird seit Anfang 2018 ein Pilotversuch durchgeführt. Die definitiven Regelungen sollen per 1. Januar 2020 in Kraft treten.

Bedingung für die Inanspruchnahme der Erleichterungen im Rahmen des «Kleinbankenregimes» ist, dass die teilnehmenden Institute ausreichend mit Kapital und Liquidität ausgestattet sind und keine erhöhten Risiken aufweisen.

Aktueller Stand des Projektes zum «Kleinbankenregime»

In 2018 startete der Pilotbetrieb des Kleinbankenregimes, an welchem 68 Banken teilnahmen. Die Pilotphase ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Um die rechtlichen Voraussetzungen für die Zeit nach dem Pilotprojekt zu schaffen, wurde im April 2019 durch das Eidgenössische Finanzdepartement die Vernehmlassung zu einer Teilrevision der Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler gestartet. Auch die FINMA wird diesbezüglich mehrere ihrer Rundschreiben anpassen müssen.

Teilnahmebedingungen für das «Kleinbankenregime»

Damit eine Bank am Pilotprojekt teilnehmen konnte, musste sie folgende Kriterien kumulativ erfüllen:

KRITERIUMANFORDERUNG
Vereinfachte Leverage RatioKernkapital (Aktiven (exkl. Goodwill und Beteiligungen) + Ausserbilanz) > 8% für Institute der Kategorie 4 bzw. 9% für Institute der Kategorie 5
Liquidity Coverage RatioDurchschnitt der letzten 12 Monate > 120%
Refinanzierungsgrad (1)>100%
Zusätzliche AnforderungenKeine hohen Verhaltens-risiken oder Zinsänderungsrisiken

(1) Zähler: Verpflichtungen aus Kundeneinlagen + Kassenobligationen + Anleihen und Pfandbriefdarlehen mit Restlaufzeit > 1 Jahr + Eigenmittel; Nenner: Ausleihungen (Forderungen gegenüber Kunden und Hypothekarforderungen)

Erleichterungen und Befreiungen bei einer Teilnahme am «Kleinbankenregime»Die definitiven Erleichterungen für am «Kleinbankenregime» teilnehmende Banken sind derzeit noch nicht bekannt, dürften sich jedoch nicht wesentlich von denjenigen unterscheiden, welche anlässlich des Pilotprojekts gewährt wurden. Voraussichtlich wird eine Teilnahme am «Kleinbankenregime» zu folgenden Erleichterungen führen:

KRITERIUMBEFREIUNG / ERLEICHTERUNG
EigenmittelKernkapital (Aktiven (exkl. Goodwill und Beteiligungen) + Ausserbilanz) > 8% für Institute der Kategorie 4 bzw. 9% für Institute der Kategorie 5
Leverage RatioDurchschnitt der letzten 12 Monate > 120%
Net Stable Funding Ratio (NSFR)>100%
Kapital- und LiquiditätsplanungKeine hohen Verhaltens-risiken oder Zinsänderungsrisiken
OffenlegungBeschränkung auf Key Metrics
Outsourcing– Ausnahme von den Anforderungen an die geordnete Rückführung der ausgelagerten Funktionen
– Für das Risikomanagement und die Überwachung des Dienstleisters kann auf die Berichterstat-tung einer unabhängigen Revisionsstelle abgestellt werden
Operationelle RisikenReduzierte Pflichten beim Umgang mit elektronischen Kundendaten
Corporate Governance– Reduzierter Pflichtenkatalog bei der Risikokontrolle (keine Stresstests)
– Die Risikobeurteilung durch die interne Revision ist bei unverändertem Risiko nur noch alle zwei Jahre durchzuführen

Ausblick

Derzeit ist vorgesehen, das «Kleinbankenregime» per 1. Januar 2020 einzuführen. Seine definitive Einführung erfordert Änderungen an der Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken sowie mehrere FINMA-Rundschreiben. Das Ausmass der effektiven Erleichterungen kann erst nach Vorliegen der definitiven Regularien abschliessend beurteilt werden.

Überlegungen für Banken der Aufsichtskategorien 4 und 5

Da das «Kleinbankenregime» mit Erleichterungen und Befreiungen von regulatorischen Vorgaben verbunden ist, ist der Handlungsbedarf für die Institute gering. Trotzdem sollten die in Frage kommenden Institute folgende internen Abklärungen durchführen:

  • Kann und soll das Institut am «Kleinbankenregime» teilnehmen? Da die Institute in der Vergangenheit sämtliche Vorgaben und Berechnungen bereits umsetzt haben und deshalb entsprechende Prozesse und IT-Unterstützung vorhanden sind, muss abschätzt werden, ob die in Aussicht stehenden Erleichterungen überhaupt zu Kosteneinsparungen führen.
  • Existiert ein aufwändiger Anpassungsbedarf bei den bankinternen Systemen zur Berechnung der vereinfachten Kennzahlen und des veränderten Reportings?
  • Werden die aktuell ermittelten Kennzahlen allenfalls auch für die interne Bankführung benötigt oder bestehen Berichterstattungspflichten an die Muttergesellschaft, weshalb die aktuellen Berechnungen auch weiterhin durchzuführen sind?
  • Institute, die sich bei einem oder mehreren Teilnahme-Kriterien knapp am Schwellenwert bewegen, sollten die Wahrscheinlichkeit einer mittelfristigen Überschreitung solcher Limiten und einem daraus folgenden Austrittszwang aus dem «Kleinbankenregime» beurteilen.
  • Die separat vom «Kleinbankenregime» eingeführten Änderungen im Prüfwesen (vor allem reduzierte aufsichtsrechtliche Prüfkadenz) könnten den Risikoradar des Instituts einschränken. Viele Verwaltungsräte schätzen die Sicherheit, wenn jedes Jahr eine aufsichtsrechtliche Prüfung stattfindet. Zudem ist zu beachten, dass die reduzierte Prüfkadenz die entsprechenden aufsichtsrechtlichen Prüfungen nicht wegbedingt, sondern nur aufschiebt.

Fazit

Das «Kleinbankenregime» dürfte für die kleineren Institute Erleichterungen mit sich bringen. Das Ausmass der Erleichterungen ist abhängig von den definitiven Regularien und den Rahmenbedingungen beim einzelnen Institut. Die Beanspruchung der reduzierten Prüfkadenz hat Vor- und Nachteile, die abzuwägen sind. Bisher haben sich nur wenige Institute dazu entschieden, bei der FINMA einen Mehrjahresturnus für die aufsichtsrechtliche Prüfung zu beantragen.